Wind

Über das letzte lange Wochenende kam Johannes, ein Freund aus Frankfurt, zu Besuch und wir sind zusammen von Amsterdam nach Groningen gefahren. Es ist unglaublich, dass er den weiten Weg auf sich genommen hat. Danke, dass du mich ein Stück auf meiner Reise begleitet hast!
 
Und das Timing hätte nicht besser sein können. Manchmal gibt uns das Leben Gegenwind. Johannes kam und hat mir nicht nur beim Radfahren Windschatten gegeben und Wind aus den Segeln genommen. Wir hatten 2,5 Tage Zeit (weil wir ein Tag im schönen Amsterdam verbracht haben) um von Amsterdam nach Groningen zu kommen. Die Strecke selbst war landschaftlich nicht die schönste und insgesamt war es sehr windig -gut, wenn man dann einen Freund hat der diesen Weg mit einem geht -, aber wir hatten Sonne, blauen Hinmel, waren schnell unterwegs und sind insgesamt über 230km gefahren - ein Freund bringt einen eben immer weiter! Und ich habe hier zusammen mit ihm meine 2.000km-Marke geknackt. Wir haben sofort angehalten und eine Flasche Champagner aufgemacht und gefeiert. Spaß, kurz abgeklatscht - bloß nicht anhalten, denn das erneute Anfahren wäre zu anstrengend. Wer aber dadür spenden wollte, kann dies gerne tun, zumal bis zum 30.06. alle Spenden an World Bicycle Relief verdoppelt werden!
 
Wir waren eher spontan mit der Unterkunftssuche und ich habe es sehr genossen, nicht alles alleine planen und entscheiden zu müssen ;-) Mir ist da erst besonders aufgefallen, wie entspannt, ruhig und positiv ich alles angehe und denke ich konnte etwas von diesem Gefühl des Sichtreibenlassens an Johannes weitergeben und hoffe, dass es im manchmal etwas hektischen Alltag in Frankfurt noch lange anhält.
 
Es war eine sehr schöne Zeit und auch wenn Abschied immer schwer ist, bin ich doch mit ganz viel Rückenwind auf meine alleinige Weiterreise gegangen! Danke!
 
Vor allem auch deswegen, weil Groningen es mir sehr leicht gemacht hat! Die Stadt ist wundervoll und ich habe es genossen, durch die Straßen zu fahren - wo ich dann mein neues Lieblingscafé entdeckt habe! Im Spaak gibt es Kaffee, Kuchen, Radutensilien, alles ist mit Fahrrädern dekoriert und die Stimmung ist ganz besonders. Die Besitzerinnen haben sich gleich für mein Rad und meine Reise interessiert und sind selbst begeisterte/verrückte Radfahrer und Radreisende - mit ganz viel Herz :).
 
Außerdem habe ich kurzfristig einen Couchsurfing Host gefunden. Jasper selbst hatte nicht so viel Zeit, wir haben uns aber in Rekordzeit vorgestellt - ich werde immer besser darin nach fast zwei Monaten ;-) - und danach hat er mir einfach das Buch „Einstein and the art of mindful cycling“ in die Hand gedrückt bevor er weiter musste. Sein Bruder hat mir dann noch einen tollen Platz auf den Dächern gezeigt, wo ich es lesen konnte:
 
“Cycling can help us all achieve the same mindful balance that Einstein managed - between local, global, individual, social, creative and practical ways of living. In the modern world it often seems as tough we have to choose between each of these, but on a bicycle we don’t, because cycling threads them all together, into a glorious feeling of wellbeing. Local sensibilities meet broad horizons, expansive freedoms meet friendly communities, buzzing imaginations meet useful  skills. Just as Einstein scaled intellectual peaks and saw previously unseen and wonderful patterns, the humble bicycle can help us rise above our hectic lives, shaping our views of the world and of one another for the better.”
 
Jasper möchte eine Radtour machen und alle seine Couchsurfing Gäste besuchen. Er lebt in einer stillgelegten Uni mit sehr kreativ und individuell eingerichteten Räumen und hat sein Zimmer direkt gegenüber von seinem Bruder Jelger (Wie cool ist das denn! Melli, Dési?). Der hatte dann das große Vergnügen, mehr Zeit mit mir verbringen zu dürfen, da ich spontan (und erkältet) noch einen Tag länger geblieben bin. Die Atmosphäre dort und dass mich alle wie selbstverständlich aufgenommen haben als sei ich Teil der WG, war einzigartig. Jelger und ich waren sehr auf einer Wellenlänge, wir hatten tolle und alberne Gespräche und am Abend haben wir noch Basketball gespielt. Es war so cool, vor allem weil ich es wirklich vermisse, andere Sportarten zu machen. Ich bin froh, dass ich einen Tag länger geblieben bin, denn das sind die Momente, die meine Reise ausmachen und an die ich noch lange denken werde.
 
Und wisst ihr, was ganz besonders viel Rückenwind gibt? Wenn man mit so viel Inspiration, Bestärkung, guter Laune und einem guten Gefühl weiter fährt. Dann ist es nämlich auch egal, ob es 35 Grad am einen und 16 Grad, Wind, Nieselregen und Wolken am anderen Tag hat - wäre ja auch gar keine richtige Nordsee Erfahrung, wenn das Wetter gut gewesen wäre - und so habe ich jeden Meter entlang der Nordseeküste genossen (ganz im Sinne Einsteins mindful cycling) und war auch etwas stolz, bis hierher alles alleine mit dem Rad gefahren zu sein. Es war toll, von Morgens bis Abends an der Nordsee entlang zu fahren und so die Gezeiten mitzuerleben.
 
Ja genau, ich bin wieder in Deutschland nach einer sehr schönen Zeit in Holland! Und passend zum Titel dieses Blogeintrages habe ich die Nacht dann im Surfcamp „Windloop“ verbracht, den Kitesurfern zugeschaut und bis spät in die Nacht mit ihnen Bier getrunken. Es ist schon interessant, dass der Wind für mich an dem Tag sehr schwer zum Radfahren war, während die Kitesurfer gleichzeitig wohl den tollsten Wind der letzten Wochen hatten und mit einem großen Grinsen aus dem Wasser kamen - alles im Leben ist eben relativ. Genauso wie für Skispringer der Rückenwind von Nachteil ist, freue ich mich jedesmal darüber. Und wenn mir ein Radfahrer entgegen kommt, dann haben wir wahrscheinlich genau gegenteilige Meinungen zur aktuellen Strecke und zum Wind. Und so ist es mit allem im Leben, nichts ist grundsätzlich „gut“ oder „schlecht“ - alles ist so, wie wir es beurteilen. Alle ist nur so lange gut oder schlecht, solange wir einer Sache diese Bedeutung beimessen. Und je mehr Aufmerksamkeit und Energie wir darauf lenken, desto mehr glauben wir auch daran, dass das die einzige Wahrheit ist. Aber am Ende haben wir selbst, die wir mit unseren Gedanken unsere Wirklichkeit steuern, beeinflussen und erschaffen können, die Macht darüber, wie stark wir uns von einer Sache im Außen im Inneren beeinflussen lassen. Wir kreieren mit unseren Gedanken unsere eigene Realität und warum sollen wir diese Gabe nicht nutzen, um ganz viel positive Energie in die Welt zu geben und immer das Schöne in einer Situation zu erkennen - auch im Rückenwind, Gegenwind, Aufwind, Seitenwind, im Windschatten fahrend und Windschatten gebend - auch wenn das nicht immer leicht ist, bringt es uns doch dazu, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen und nicht von äußeren Einflüssen abhängig zu machen.
 
Wilhelmshaven und Bremerhaven waren nicht gerade schön - aber ich hatte immer Glück mit dem Fähren. Ich denke oft an Nicis Worte, ich solle nicht zu naiv sein, und das bin ich auch nicht. Aber mit den Fähren… meistens plant meine App eine Route und ich merke erst, dass eine Fährfahrt dabei ist, wenn ich vor dem Wasser stehe und es nicht weiter geht. Und bei 3 von 3 mal hatte ich unglaubliches Glück - als die Fähre, die stündlich fährt, 5 Minuten nach meiner Ankunft abgefahren ist, dass ich bei der Fähre, die zweimal am Tag fährt (9 und 17 Uhr), um 16 Uhr angekommen bin und dass die andere Fähre eine der wenigen war, die auch nach 19 Uhr noch gefahren ist. Außerdem hat mich eine Couchsurferin in Bremerhaven zusammen mit 4 Norwegern, die mit dem Rad auf dem Weg nach Brügge unterwegs sind, gehostet. Wir hatten ein großes Frühstück zusammen und ich war froh, dass ich endlich auch mal etwas zurückgeben konnte, und den 4 Jungs einige Tipps zu ihrer Weiterreise durch Holland und Belgien geben und die Fahräder durchchecken konnte.
 
Letzte Nacht habe ich in einem alten Schloss und bei einem wieder einmal -ich weiß es wird langweilig - sehr inspirierenden Menschen mit einem großartigen Lebensentwurf (alles was Timm tut und wie er lebt, hat einen Grundsatz: Es muss gut für die Gesellschaft und die Umwelt sein) übernachtet und wir haben ganz viel Obst geerntet und uns an Erdbeeren überfressen.

Gerade  sitze ich in einer meiner Lieblingsstädte am Elbstrand und bin überaus dankbar und unfassbar glücklich, dass ich 56 Tage nach Start meiner Reise und nach 42 Tagen davon auf dem Fahrrad hier sitzen und bei lauem Sommerwind die Samstagabendstimmung am Strand genießen darf. Morgen ist fahrradfrei für mich und ich weiß, es wird ein wunderschöner Tag, denn „das Wetter, das man jeden Morgen in sich selber macht, das ist viel wichtiger als das von draußen“ (Fynn - Hallo Mister Gott, hier spricht Anna).


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Kommentare: 5
  • #1

    lea (Sonntag, 30 Juni 2019 10:42)

    Einfach nur: wow.

  • #2

    Melissa (Sonntag, 30 Juni 2019 11:05)

    Endlich wieder ein Beitrag, wurde ja auch mal Zeit ;)
    Kannst gerne gegenüber von mir einziehen, du bist definitiv zu weit weg im Moment, das geht so nicht weiter :(
    Wünsche dir weiterhin ganz viel Spaß und freue mich, wenn wir uns wieder sehen :-*
    Achja und wenn ich du wäre würde ich am Stadion von St. Pauli vorbei laufen, ohne es zu merken...
    HDL Melli

  • #3

    Beate (Mittwoch, 03 Juli 2019 22:09)

    Melli ist süß!
    Ja wir vermissen dich auch .... das Zimmer ist so leer , nur deine Sachen stehen einsam herum. wenn du wieder da bist müssen alle heim kommen .... dann gibt es lecker Essen und "Feierabendbier" ;-)))
    HD auch L

  • #4

    Beate (Mittwoch, 03 Juli 2019 22:16)

    .... und der Feuerkorb ( vom 17. Geb) muss endlich mal zum Einsatz kommen ;-))

  • #5

    Desi (Freitag, 05 Juli 2019 14:53)

    ...ich bin dabei! ��
    HEL �